Versuch über Kunst und Leben - Subjektivität - Weltverstehen - Kunst
Verlag | Hanser |
Auflage | 2001 |
Seiten | 352 |
Format | 20 cm |
Gewicht | 400 g |
Reihe | Edition Akzente |
ISBN-10 | 3446198571 |
ISBN-13 | 9783446198579 |
Bestell-Nr | 44619857M |
Die philosophische Beschäftigung mit Kunst konzentrierte sich in den vergangenen Jahren ganz auf deren Objekte: Leser, Hörer und Betrachter gerieten dabei aus dem Blick. In seinen Berliner Simmel-Vorlesungen demonstriert Dieter Henrich, dass jede qualifizierte Auseinandersetzung mit Kunst immer auch die Auseinandersetzung mit den Subjekten verlangt, die Kunst hervorbringen oder wahrnehmen. Aus der Perspektive dieses Spannungsfeldes analysiert er die Situation der zeitgenössischen Kunst und entwickelt Hypothesen über deren weitere Entwicklung.
Leseprobe:
Diese Vorlesungen gelten den Grundlagen der Kunst und den Gründen ihrer Resonanz in unserem Leben. Um dahin zu gelangen, gehen sie von Untersuchungen über das aus, was ein bewußtes Leben ausmacht. So verbinden sie also, in der Sprache des Faches gesprochen, die Theorie der Subjektivität mit der Kunsttheorie.
Einen solchen Versuch habe ich mehrfach vorgetragen und für die Veröffentlichung als Buch vorbereitet. Daß er nun in dieser Gestalt erscheint, ist Folge der Einladung der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, im Sommer 1998 die Georg-Simmel-Vorlesungen zu halten.
Die vier ersten Vorlesungen entsprechen weitgehend dem, was ich wirklich vom 3. bis zum 24. Juni 1998 Unter den Linden vorgetragen habe, und dokumentieren damit, wie es auch der Wunsch der Fakultät war, den Vorlesungszyklus. Sie sind aus der Form von Redetexten in die von Lesetexten überführt und hier und da ergänzt, nicht aber umgestaltet worden. So behielten sie auch viele für Vorlesungen besonders angemessene Eigenschaften bei - darunter die, in der Entwicklung ihrer Gedankenfolge immer wieder, wenn auch kursorisch, auf Einwände und naheliegende Alternativen einzugehen und jede Vorlesung mit einer Übersicht über den Stand der Argumentation zu beginnen. Diese Übersichten können nun auch Lesern, die den Text nicht als ganzen lesen wollen, dabei helfen, sich in ihm zu orientieren.
Die Vorlesungen waren lange im voraus anzukündigen. Als ich für die vierte den Titel Die Kunst in der Zeit wählte, hatte ich noch die Absicht, auch auf die Situation der Kunst in der entfalteten Moderne und auf die Debatten über das Thema Ende der Kunst? einzugehen. Es erwies sich aber als ganz unausweichlich, die gesamte Vorlesungszeit für einen Abschluß in der Kunsttheorie zu nutzen.
Infolgedessen wurden die drei letzten Vorlesungen ausgearbeitet. Sie entfalten zunächst den subjektivitätstheoretischen Rahmen weiter. Er soll nunmehr dazu dienen, die Dynamik der Entwicklung der Künste in der Moderne zu erklären, zu einer Diagnose ihrer gegenwärtigen Lage zu kommen und ihre Zukunft zu erwägen. Diese drei Vorlesungen sind also nicht gehalten worden. Sie sind philosophische Texte, die sich der Form der Vorlesungen weitgehend anschließen. Dazu gehört, daß sie, wie auch die ersten vier Vorlesungen, nur wenige Verweise auf die Literatur enthalten, die zudem in die Texte selbst integriert worden sind. Sie waren aber nicht an die Grenzen gebunden, die durch die Doppelstunden der wirklich gehaltenen Vorlesungen und durch die besondere Kompositionsaufgabe für einen solchen Vortrag gesetzt sind. So können
sie etwas ausführlicher argumentieren und auf gedrängte Begründungsskizzen verzichten, die im Fortgang der Vorlesungen selbst immer weniger zu vermeiden waren.
Aus einem ganz anderen Grund wurden die Beispiele von Kunstwerken, welche die kunsttheoretischen Thesen stützen könnten, auf ein Minimum beschränkt. Der Gang der Argumentation sollte als solcher einleuchten, so daß seine Anwendung dem Hörer und Leser überlassen werden darf. Für Interpretationen ließen die vier Doppelstunden ohnedies wirklich keine Zeit.
Ich weiß, daß mit dem Einsatz bei der Dynamik des
Lebens des einzelnen Individuums durchaus nicht alle Bedingungen der Kunstproduktion verstanden werden können und daß es viele andere Verfahren gibt, die weit voneinander abliegen und die doch in der Interpretation von Kunstwerken mit Nutzen gebraucht werden können. Ich denke aber auch, daß dann, wenn man diesen Einsatz übergeht, die wichtigsten Grundlagen der Kunstproduktion und der Wirkung bedeut