Vielleicht werden wir ja verrückt - Eine Orientierung in vergleichendem Fanatismus
Verlag | Suhrkamp |
Auflage | 2002 |
Seiten | 127 |
Format | 12,1 x 20,2 x 1,2 cm |
Gewicht | 176 g |
ISBN-10 | 3518413791 |
ISBN-13 | 9783518413791 |
Bestell-Nr | 51841379A |
Es ist, als ob der amerikanische Fundamentalismus weder gegen den islamischen noch gegen den jüdischen Fundamentalismus stünde, als ob sie alle zusammen spielten aus den verschiedensten Richtungen in Richtung auf ein und dasselbe Ziel, als ob sie alle einem gemeinsamen morphogenetischen Feld entstammten, das sich über diese ganze geschundene Erde zieht und jederzeit zur Strahlung kommen kann, um tausenjährige Reiche zu erzeugen.
»Vielleicht werden wir ja verrückt«, hat Jaron Lanier gesagt, »wir saufen und wir huldigen, die Schrift flammt, die Welt geht unter, es ist kein Schalter da, uns abzuschalten.«
Weltweit offenbaren die Völker ihre gefährlichste Gemeinsamkeit in einem archaisch anmutenden, blutigen Fundamentalismus. Seit dem 11. September 2001, 223 Jahre nach Lessings »Ringparabel«, scheint die Aufklärung in sich zusammenzustürzen, Religionen erneut den Marschbefehl auszugeben. Ulla Berkéwicz fordert in ihrem leidenschaftlichen Essay den Mut zur Sorge um das, was an uns verloren geht, wenn wir dem Verbund von technokratischem Nihilismus und archaischem Fanatismus nicht widerstehen. Orientierung in einer wie im Rausch sich beschleunigenden Reaktionskette sucht sie in einer tiefgreifenden Analyse religiöser Überlieferung, in der Auslegung von Quellen aus dem Talmud, dem Koran und der Bibel, im Studium historischer und gegenwärtiger islamischer und jüdischer Quellen und von Material des amer ikanischen Sektensumpfes.
Ulla Berkéwicz untersucht die den drei Religionen - Christentum, Islam und Judentum - innewohnenden Gemeinsamkeiten und die bei allen vorhandene Tendenz zur Selbstaufgabe des Einzelnen. Ihre Analyse verbindet die Autorin mit Erlebtem und Erzähltem. Die einfachen gewaltsamen Lösungen der Eiferer aus dem Okzident und dem Orient werden durch die Kunst der kraftvollen Geschichtenerzählerin entlarvt. Erst im Erzählen findet der Essay die Freiheit und Mehrdeutigkeit, die der Polyphonie des einzelnen Menschen gerecht wird. Sie versöhnt wissenschaftliche Reflexion, Mythos und Literatur in diesem mutigen Einmischungsversuch, der auch von der Angst handelt, die den Mut erzeugt, sich der Vereinnahmung zu widersetzen. So ist ihr etwas Neues gelungen: eine Schrift in der besten Tradition der Aufklärung, die narrativ faßt, was der Verstand allein nicht erklären kann.