Aziz Nesin ist immer noch vorwiegend, auch in Deutschland, als Satiriker bekannt. In dem von Klaus Liebe-Harkort vorgelegten Sammelband begegnet er uns als bedeutender Schriftsteller und - auch hier - als radikaler Humanist. Im Vordergrund stehen die Themen von Liebe, Einsamkeit und Tod. Vielfach werden darüber hinaus auch andere Bereiche menschlichen Lebens in die Erzählungen eingebunden. Es handelt sich um Geschichten, "bei denen es nichts zu lachen gibt" (Klaus Liebe-Harkort im Vorwort), die fast immer optimistischen Ausblick gewähren: Aziz Nesin hält an der Veränderbarkeit der Welt und an der Kraft menschlichen Denkens fest.
Aziz Nesin (1915 - 1995) wuchs in einem konservativen Umfeld in Istanbul auf. Er absolvierte erst eine Militärschule und anschließend die Militärakademie in Ankara. Seine Offizierslaufbahn endete abrupt, als er 1944 wegen Amtsmissbrauch aus der Armee entlassen wurde. Ab 1946 wurde er Mitherausgeber der legendären Satirezeitschrift "Markopa a". Schon nach der 3. Ausgabe wurde er das erste Mal verhaftet. So begann eine aufregende journalistische und schriftstellerische Karriere. Nesin schrieb für viele Zeitungen und Zeitschriften, sein Talent für die satirische Zuspitzung der sozialen und politischen Verhältnisse bescherte ihm immer mehr Anhänger. Die Tatsache, dass 1962 ein Brandanschlag auf seinen Verlag verübt wurde und dass ihm häufig politische Prozesse gemacht wurden, taten seiner Popularität keinen Abbruch. Spätestens nach seiner Solidaritätsbekundung für Salman Rushdie geriet er jedoch auch ins Fadenkreuz islamistischer Kräfte, der Brandanschlag auf ein alevitisches Kulturfe stival in Sivas 1993 kostete 33 Teilnehmer das Leben, Nesin selbst überlebte. Nesin schrieb über 100 Bücher, er gehört zu den berühmtesten türkischen Autoren des letzten Jahrhunderts. Bis heute genießt Aziz Nesin auch große Wertschätzung, weil er eine Stiftung gründete, die seit 1972 Kindern ohne Eltern oder aus schwierigen Verhältnissen ein Zuhause bietet.
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