Berg and Breakfast - Ein Panorama der touristischen Sehnsüchte und Ernüchterungen
Verlag | Edition Raetia |
Auflage | 2021 |
Seiten | 232 |
Format | 13,8 x 1,7 x 21,1 cm |
Gewicht | 316 g |
ISBN-13 | 9788872837702 |
Bestell-Nr | 87283770SA |
Auf, in die Alpen! Genüsslich wandern, wellnessen, Ski fahren oder Gipfel erklimmen: Es könnte so schön sein, wenn nicht überall Touristen wären. Entlegene Berggebiete wiederum leben von ihnen. Mahlknecht stellt sich in ihrem Essay diesem Dilemma. Sie analysiert die unstillbare Sehnsucht nach dem Reisen - ohne erhobenen Zeigefinger: Welchen Widrigkeiten des Alltags versuchen wir zu entfliehen? Wie geht es denen, die dort leben, wo andere Urlaub machen? Lässt sich heute noch ethisch vertretbar reisen? Es liegt an uns, den Tourismus der Zukunft mitzugestalten!» amüsant, pointiert, anregend» erhellende Einsichten, kluge Denkanstöße» notwendige Reflexionen, die uns alle betreffen
Leseprobe:
Ich komme aus den Bergen. Wie viele, die aus den Bergen kommen, bin ich ein Heimweh-Mensch. "Ihr Südtiroler, ihr habt ein ganz besonderes Heimweh", hat einmal ein Wiener Mitstudent zu mir gesagt. Vielleicht ist es aber gar nicht Südtirol, wonach wir Heimweh haben. Vielleicht sind es einfach die Berge. Denn Heimweh, das können auch die Menschen in Graubünden, wo ich seit vielen Jahren lebe, sehr gut. "Heimweh-Bündner", das ist ein Wort, das in der ganzen Schweiz verstanden wird. Wir Heimweh-Bergler gelten als besonders sesshaft, tief verwurzelt, bodenständig - im günstigen Fall. Die Kehrseite ist eine gewisse Unflexibilität, Starrköpfigkeit, Rückwärtsgewandtheit, die uns nachgesagt wird. Wir stehen mit beiden Beinen fest im heimischen Misthaufen, wortwörtlich und im übertragenen Sinn, so stellen sich das viele vor.Dabei wird eines übersehen: Wer in den Bergen lebt, muss sich bewegen. Von einem Dorf zum nächsten, von einem Tal ins nächste, hin zu den Städten, wo die Bildungseinricht ungen, die Arbeitsplätze, die Krankenhäuser sind. Das romantische Bild vom knorrigen Hutzelmännchen, das auf dem Balkon seines Bergbauernhöfchens sitzt und Pfeife schmauchend ins Alpenglühn schaut, ist nicht von vorgestern, sondern von vorvorgestern und hat wahrscheinlich sogar damals nicht immer gestimmt. Als Kind aus Plaus, in den Achtzigerjahren ein 300-Seelen-Dörfchen, musste ich mich früh ans Wandern gewöhnen. Der Bus brachte uns Kinder zuerst nach Naturns, dann nach Meran in die Schule. Die Universität besuchte ich in Wien.Das Wieder-Heimkommen dauerte länger und länger. Das Ankommen gelang irgendwann nicht mehr. Empfand ich mich als Migrantin? Nein, denn jeden Aufenthalt, sogar den über mehrere Jahre, verbuchte ich als "vorläufiges Nicht-zu-Hause-Sein".