Verlag | mairisch Verlag |
Auflage | 2020 |
Seiten | 144 |
Format | 11,1 x 18,0 x 1,3 cm |
Gewicht | 159 g |
Reihe | mairisch mono |
ISBN-10 | 3938539593 |
ISBN-13 | 9783938539590 |
Bestell-Nr | 93853959A |
Marc Degens hat die letzten vier Jahre lang von Toronto aus Kanada erkundet: Er ist durch die weiten Wälder und Seenlandschaften gefahren, war auf Walbeobachtungstour, auf einem durchgedrehten Peaches-Konzert, bei dem nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mutter auftrat, in diversen Comic-Läden, hat auf den hügeligen Straßen Québecs die Nationalspeise Poutine (Pommes mit Bratensoße und Käsestücken) probiert, den Wahlsieg von Justin Trudeau live miterlebt und bewegte sich auf den Spuren von David Lynchs Twin Peaks.
Degens hat über seine Erfahrungen und Abenteuer ein Reisetagebuch geführt und lässt uns auf lustige und kluge Weise an seinen Gedanken über Land, Leute und Kultur teilhaben. Ein Buch über das Lesen und Schreiben. Über Reisen, Wale und Eisberge. Über Toronto, Kanada, Nordamerika, seine Menschen und ihre Mentalität.
"Der Alltag - was ist das? Meistens weiß man das erst, wenn der Alltag bedroht ist. Marc Degens notiert, was die Tage bringen. Hier wie dort: Büche r, Comics, Filme, Konzerte, Betten, Landschaften und Mahlzeiten, die ganze verbrachte Zeit, die transportierten Sachen und außerdem das Wetter." (Monika Rinck)
Leseprobe:
Freitag, 5. Mai, Toronto
Nachmittags hören wir Lieder aus Bob Dylans christlicher Born Again-Phase als Vorbereitung auf den Abend. Um 20 Uhr laufen wir durch die Nachbarschaft zum von John Paul organisierten Konzert "Spirit Songs: Bob Dylan" in der Redeemer Lutheran Church. Als wir in der vollen Kirche ankommen, beginnt gerade das Konzert mit John Paul, seinem Freund Neil Clark und dem charismatischen Folksänger Ken Whiteley. Der Abend ist wunderschön - der Ort, die Programmgestaltung, die Auswahl der Lieder und die klugen Moderationen und Erläuterungen von John Paul und den Gästen. In der Konzertpause trinken wir Kaffee, ich esse Samosas und unterhalte mich mit Christine, Peter und Bridget. Dann geht es weiter. Die zweite Hälfte des Konzerts gefällt mir noch besser als die erste. Ken Whiteley dreht richtig auf, die ganze Kirche singt bei "Gotta serve somebody" mit und als letztes Lied spielt die Band dann "Like a Rolling Stone", bei der zwei Mitglieder der Gemeinde frohlockend aufstehen und raumgreifend vor dem Altarraum tanzen.
Es ist ein sehr bewegender Abend und ein tolles Konzert, das um kurz vor elf endet. Vieles an der nordamerikanischen Mentalität erscheint mir hinterher verständlicher. Die Romantik der Folkmusik, der Selbstbehauptungswille, das gemeindehafte Denken, selbst dieses umständliche Wahlmänner-Prozedere. Ich erinnere mich an meinen Aufenthalt in Baltimore, als ich an dem Kellertheater in der St. Paul Street vorbeilief und dabei dachte, wie schön es sein müsse, für genau diese Bühne Texte zu schreiben. Nicht für irgendein abstraktes Publikum, sondern ganz konkret für dieses Theater und die Menschen in dieser Straße.