Verlag | Epee Edition |
Auflage | 2013 |
Seiten | 568 |
Format | 14,7 x 20,6 x 4,2 cm |
Gewicht | 614 g |
ISBN-10 | 3943288161 |
ISBN-13 | 9783943288162 |
Bestell-Nr | 94328816A |
Der Autor Wichard Freiherr von Lützow konnte nach ausführlichen Recherchen und anhand von Originaldokumenten die Lebensgeschichte seines Ururgroßvaters Leopold Wichard Heinrich von Lützow (1786-1844) nachskizzieren.
Leopold kämpfte unter anderem 1806 in der Schlacht bei Jena und Auerstedt, 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig und 1815 in der letzten Schlacht gegen Napoleon bei Waterloo. In seinen 58 Lebensjahren durchzog er als preußischer Leutnant, österreichischer Oberleutnant, spanischer Kapitän, französischer Kriegsgefangener und russischer Oberst Europa - von Schweden bis nach Spanien, von Russland bis nach Belgien.
Leseprobe:
Dieses Mal fiel der Schuss ganz in seiner Nähe. Leo schreckte hoch aus seinen trübe kreiselnden Gedanken. Sein taumelnder Schritt straffte sich. Er nahm die Umgebung wieder wahr. Der spanische Korporal war einige Reihen vor ihm aus der Kolonne getorkelt. Er krümmte sich jetzt am Wegrand, zuckte noch einmal kurz auf und blieb dann schlaff liegen. Der polnische Soldat, der ihn erschossen hatte, stieß ihn mit dem Fuß vollends über die Kante, die der steinig staubige Weg mit dem zur rechten Seite abfallenden Steilhang bildete.
Leopold Wichard Heinrich von Lützow, preußischer Leutnant, österreichischer Oberleutnant, spanischer Kapitän und französischer Kriegsgefangener, taumelte weiter über die Sierra de Javalambre nördlich von Valencia. Fast am Ende seiner Kräfte, wie die rund zweitausend anderen Gefangenen, kreisten seine Gedanken nur um ein Ziel: durchhalten. Es war der Februar des Jahres 1812. Leo, wie man ihn allgemein nannte, war fünfundzwanzig Jahre alt. Fünf Jahre alt war de r Krieg der Spanier gegen Napoleon, zu dem sich Leo als Freiwilliger gemeldet hatte. [ ]
Solche Aufzeichnungen habe ich von Leo von Lützow gefunden. Zumindest ein paar Seiten haben die Zeit und das 1945 vernichtete Familienarchiv überdauert. Sie machten neugierig, und diese Neugier bewirkte, dass Bibliotheken, Museen, Archive und das Internet durchforscht wurden. Eine erstaunliche Menge von Daten und Urteilen von Zeitgenossen konnte entdeckt werden. Zeitbeschreibende Literatur machte mit den damaligen Lebensumständen vertraut. Es wurde versucht, geschichtliche, zeit- und personenbezogene Fakten als Brückenpfeiler zu nutzen und diese mit ein wenig Phantasie so zu verbinden, dass aus dem Möglichen die Wirklichkeit dieses Buches entstehen konnte.
[...] Die Uhr zeigte die zweite Stunde am ersten Tag des neuen Jahres. Leo gab den Befehl zum Beginn der Aktion und bestieg den ersten der zwölf Doppelpontons. Russische Jäger und österreichische Pioniere sprangen in die Fahrzeuge, die vom Ufer abgestoßen wurden und in die Finsternis eintauchten. Die Pioniere legten sich ins Zeug. Kleine Sturmlaternen sollten den Zusammenhang sichern. Erste Eisschollen rumpelten gegen die Schiffswände. Eine kurze Strecke blieb die Gruppe beisammen und behielt die Richtung. Die Strömung wurde heftiger, der Eisgang brachte Leos Gefährt immer wieder vom Kurs ab. Er schaute angestrengt in die Nacht. Die schwachen Lichter der anderen Boote wurden von der Dunkelheit verschluckt. Die Sturmlaternen waren erloschen oder die Boote abgetrieben. Leos Doppelponton war plötzlich allein. Die Pioniere arbeiteten wie besessen gegen die Gewalt des hochgehenden, eisdurchsetzen Wassers. Nach einer endlos scheinenden Zeit nahm die Gewalt des Wassers ab. Das Eis schabte nicht mehr so laut gegen die Bordwände, das Gefährt lag etwas ruhiger. Die Ruderer waren total erschöpft. Wo waren sie? Pechschwarze Nacht und das Rauschen des Flusses und Krachen des Eises machten die Sinne von Auge und Ohr nutzlos. Leo hatte die Orientierung verloren. Lediglich die Strömung, gegen die die österreichischen Pioniere wieder tapfer ankämpften, gab einen gewissen Anhaltspunkt.
Dann wurde die Bewegung des schwankenden Gefährts erneut schneller. Doch ob sie sich nun schon auf dem westlichen oder noch auf dem rechten Rheinarm befanden, war Leo völlig unklar. Wie von einer starken Hand wurde der Doppelponton plötzlich vorne ergriffen und herumgedreht. Leo musste sich festkrallen, so überraschend kam die Bewegung, die das Gefährt zugleich in heftige Schaukelbewegung versetzte. Kurzfristig mussten auch die Ruderer aussetzen und verloren dadurch den Rhythmus. Wie ein Ungeheuer schob sich eine starke Eisscholle an der Bordwand hoch und schien nach Leos Hand greifen zu wollen. Erschrocken ließ er die Bordwand los und kam ins Taumeln. Ein hinter ihm kauernder Infanterist fing ihn auf. Grässlich knarzten die beide Pontons verbindenden Taue. Das Gefährt tanzte kreiselnd auf den Wellen. Eis