In der Nacht hat es geregnet, aber als Odd vor das Haus tritt, scheint wieder die Sonne. Die Wassertropfen im Gras leuchten. Heute fühlt sich der Morgen wie nach einem Bad im Schaff an. Im Pastorenbirnbaum, der im Garten zwischen dem Haus und Maries Hof wächst, sitzt eine Amsel. Sie schnattert und gurgelt und von überall im Garten antworten die Vögel. Ihr gelber Schnabel zeigt einmal in die eine Richtung und einmal in die andere Richtung. Ab und zu reckt sie ihren Hals. Eine andere Amsel fliegt zu ihr und sie lässt sich von ihrem Zweig fallen und fliegt auf einen Ast darunter ...
Anita Lehner: "1962 in Oberösterreich mitten in der Zwetschkenernte geboren. Daher bin ich dem Herbst zugetan - den Astern, den Rübenkellern und dem Süßmost.Die Reifeprüfung lege ich über viele Jahre auf einem kleinen Bauernhof ab. Es gibt noch keinen Kindergarten und weil mein Geburtsjahr noch vor dem Pillenknick liegt, wird mein Jahrgang aus Platzgründen in der Volksschule abwechselnd vormittags und nachmittags unterrichtet. Daher schläft die Lehrerin häufig im Unterricht mit dem Kopf auf dem Katheder ein. Ich lerne trotzdem das ABC und die Multiplikation und daneben den Traktor zu lenken, Strohballen zu schlichten oder Kinder und Kälbchen zu hüten. Später arbeite ich als Kindergärtnerin, bis ich selber Kinder bekomme, heirate einen Theologen, mache viele Fehler, weil ich alles richtig machen will und werde trotzdem nicht klug. 1997 lasse ich mir die Reife offiziell im Sacre Cour Pressbaum bestätigen, studiere anschließend Pädagogik und Theaterwissenschaft in Wien und als ich da nn mit meiner Familie nach Oberösterreich zurückkehre, wird mir bei meinen Bewerbungen Überqualifikation vorgeworfen - so beginne ich zu schreiben. Heute darf ich junge Menschen auf ihrem Weg zur Reife begleiten, veröffentliche Sprachkonzentrationen und werde immer wieder eingeladen, mich mit meinen Textschichten an Gemeinschaftsausstellungen zu beteiligen."
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