Am Fluß - Roman. Ausgezeichnet mit dem Franz-Hessel-Preis 2015
Verlag | Matthes & Seitz Berlin |
Auflage | 2014 |
Seiten | 386 |
Format | 14,0 x 21,9 x 3,4 cm |
Gewicht | 642 g |
ISBN-10 | 3957570565 |
ISBN-13 | 9783957570567 |
Bestell-Nr | 95757056A |
Alte Fabriken, ärmliche Häuser, aber auch unverhoffte Streifen von Wildnis: eine Landschaft an der Grenze zwischen Stadt und Land, bevölkert von aus ihren Ordnungen gefallenen Menschen, wie sie das wahre Leben am Rande jeder Metropole prägen. In neun Etappen eines Spaziergangs in der Gegend um den River Lea vor London verfolgt Esther Kinsky die sich überlagernden Spuren persönlicher Geschichte und urbaner Historie dieser Flusslandschaft und nutzt die Wildnis des Marschlands als Freiraum für Erinnerung und Reflexion. Der River Lea wird zur Grenzmarkierung und zugleich zu einem Wegweiser: Erfahrung und Wahrnehmung finden an ihm eine Schranke und ein Ziel. "Am Fluss" ist ein Buch über das Sehen, über Erkenntnis durch Betrachtung. Im Zusammenklang mit ihren Fotografien stellt Esther Kinsky die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Sichtbarmachung von Welt neu.
Leseprobe:
In der Zeit vor meiner Abreise aus London begegnete ich dem König. Ich sah ihn nur abends, im türkisen Dämmer. Er stand am Eingang des Parks und schaute nach Osten, dorthin, wo bereits ein tiefes dunstiges Blau aufstieg, während in seinem Rücken der Himmel leuchtete. Aus dem Schatten der Büsche am Tor kam er mit kleinen lautlosen Schritten an den Rand der Rasenfläche, über der um diese Tageszeit die vielen Raben des Parks aufgeregt kreisten. Der König streckte die Hände aus, und die Raben sammelten sich um ihn. Manche ließen sich kurz flügelschlagend auf seinen Armen, seinen Schultern und Händen nieder, stiegen wieder auf, entfernten sich ein Stück, kamen zurück. Vielleicht wollte oder musste jeder einzelne Vogel ihn einmal berühren. So, von den vielen Vögeln umgeben, begann er die ausgestreckten Arme in leichte Schwingund Kreiselbewegungen zu versetzen, als wohnte in ihnen eine Erinnerung an Flügel.
Rezension:
»Wer die Bücher von Esther Kinsky liest, erfährt von dem Glück, sich ins Unsichere zu begeben und sich von ihrer Sprache, in einem leichten Wogen, halten zu lassen.« - Wiebke Poromkba, Chamisso Magazin, März 2016 Wiebke Poromkba Chamisso Magazin 20160301