Verlag | Goldmann |
Auflage | 2011 |
Seiten | 446 |
Format | 18,7 cm |
Gewicht | 394 g |
Reihe | Goldmann Taschenbücher 47643 |
Übersetzer | Kristian Lutze |
ISBN-10 | 3442476437 |
ISBN-13 | 9783442476435 |
Bestell-Nr | 44247643A |
"Michael Robothams Thrillerreihe um den an Parkinson erkrankten Psychotherapeuten Joe O'Loughlin ist ultraspannend." Sebastian Fitzek
Halb ertrunken wird Detective Inspector Vincent Ruiz aus der Themse geborgen und liegt tagelang im Koma. Wieder bei Bewusstsein fängt sein Alptraum allerdings erst an, denn er kann sich an die letzten Wochen nicht erinnern. Sein einziger Anhaltspunkt ist das Foto eines Mädchens: Die kleine Mickey Carlyle war drei Jahre zuvor entführt worden und gilt seither als tot. Mit Hilfe des Psychologen Joe O'Loughlin gelingt es Vincent, Teile seiner Erinnerung zurückzugewinnen. In ihm wächst der Verdacht, dass Mickey noch lebt und in großer Gefahr schwebt ...
Der zweite Band der Erfolgsserie um den Psychologen Joe O'Loughlin.
Leseprobe:
Die Themse, London
Irgendwer hat mir mal erzählt, man wisse, dass es kalt ist, wenn man einen Anwalt mit den Händen in den eigenen Taschen sieht. Jetzt ist es noch kälter. Mein Mund ist taub, und ich habe bei jedem Atemzug das Gefühl, Eissplitter in die Lunge zu saugen.
Menschen schreien und leuchten mir mit Taschenlampen in die Augen. Ich klammere mich derweil an eine große gelbe Boje, als wäre sie Marilyn Monroe. Die ziemlich dicke Marilyn Monroe, die angefangen hatte, Tabletten zu schlucken, und so langsam verkam.
Mein Lieblingsfilm ist Manche mögen's heiß mit Jack Lemmon und Tony Curtis. Ich weiß nicht, warum mir das gerade jetzt einfällt, obwohl es mir bis heute ein Rätsel ist, wie irgendjemand Jack Lemmon für eine Frau halten kann.
Ein Typ mit einem wirklich buschigen Schnauzbart und einem Atem, der nach Pizza riecht, haucht in mein Ohr. Er trägt eine Schwimmweste und versucht, meine Finger von der Boje zu lösen. Ich kann mich vor Kälte nicht rühren. Er schlingt beide Arme um meine Brust und schleppt mich rückwärts durchs Wasser. Weitere Menschen, die ich wegen der Lichter nur in Umrissen wahrnehme, greifen nach meinen Armen und ziehen mich an Deck.
"Mein Gott, guck mal, sein Bein!", sagt irgendjemand.
"Er ist angeschossen worden!"
Über wen reden die?
Wieder fangen irgendwelche Leute an zu brüllen, rufen nach Verbandszeug und Blutplasma. Ein Schwarzer mit einem goldenen Ohrring sticht eine Nadel in meinen Arm und drückt einen Beutel auf mein Gesicht.
"Ich brauche Decken. Wir müssen ihn warm halten."
"Puls bei einhundertzwanzig."
"Einhundertzwanzig?"
"Puls bei einhundertzwanzig."
"Irgendwelche Kopfverletzungen?"
"Negativ."
Ein Motor heult auf, und wir setzen uns in Bewegung. Ich kann meine Beine nicht spüren. Ich spüre gar nichts - nicht einmal mehr die Kälte. Die Lichter verblassen auch. Dunkelheit sickert in meine Augen.
"Fertig?"
"Ja."
"Eins, zwei, drei."
"Vorsicht mit den Transfusionsschläuc hen." "Alles klar." "Beatmung fortsetzen." "Okay."
Der Typ mit dem Pizzaatem keucht jetzt schwer und rennt neben der Trage auf und ab. Er drückt seine Faust auf den Beutel vor meinem Gesicht, um Luft in meine Lunge zu pressen, die sich gleich darauf hebt. Quadratische Lichter gleiten über mich hinweg. Ich kann noch sehen.
Eine Sirene heult in meinem Kopf. Jedes Mal, wenn wir bremsen, wird sie lauter und eindringlicher. Jemand spricht in ein Funkgerät. "Er kriegt gerade seine vierte Konserve. Er verblutet uns. Der systolische Druck sinkt."
"Er braucht Volumen."
"Drück ihm noch einen Beutel rein."
"Herzstillstand!"
"Herzstillstand. Siehst du?"
Eine der Maschinen stößt einen anhaltenden Warnton aus. Warum schaltet sie keiner ab?
Pizzaatem reißt mein Hemd auf und klatscht mir zwei Gummimatten auf die Brust. "ALLES KLAR!", brüllt er.
Der Schmerz bläst mir beinahe die Schädeldecke weg. Wenn er das noch mal macht, brech ich ihm beide Arme. "ALLES KLAR!"
Ich schwöre bei Gott, ich werde dich nicht vergessen, Pizzaatem. Ich werde mich genau erinnern, wer du bist. Und wenn ich hier rauskomme, suche ich dich. Im Fluss war ich glücklicher. Bringt mich zurück zu Marilyn Monroe.
Jetzt bin ich wach. Meine Augenlider flattern, als kämpften sie gegen die Schwerkraft an. Ich drücke sie fest zu, versuche es erneut und blinzele in die Dunkelheit.
Ich drehe den Kopf und kann die orangefarbene Leuchtanzeige einer Maschine neben dem Bett ausmachen, außerdem einen grünen Lichtpunkt, der über ein LCD-Display flimmert wie bei diesen Stereoanlagen mit hüpfenden farbigen Lichtwellen.
Wo bin ich?
Neben meinem Kopf steht ein Chromständer, im Metall spiegeln sich Sterne. An einem Haken hängt ein Plastikbeutel, prall voll mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, die durch einen biegsamen Plastikschlauch fließt und unter einem abgeklebten Verband an meinem linken Unterarm verschwindet.
Ich bin in einem Krankenhauszimmer.