Deine Tränen sind auch meine ... - Briefe aus der Todeszelle von Adolf Zanker
Verlag | Kinzel |
Auflage | 2017 |
Seiten | 68 |
Format | 15,0 x 21,0 x 0,3 cm |
Geklebt | |
Gewicht | 112 g |
ISBN-10 | 3955440656 |
ISBN-13 | 9783955440657 |
Bestell-Nr | 95544065A |
Anfang Januar 1944 wird Adolf Zanker, junger Landwirt und Familienvater aus Gruibingen auf der Schwäbischen Alb als Mitglied der Zeugen Jehovas in Halle an der Saale wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet. Seine letzten Briefe sind bewegende Zeugnisse der Liebe zu seiner Familie sowie zu seiner Heimat und geben sein Gottvertrauen wieder. Sie werden hier veröffentlicht, um an ihn zu erinnern, damit andersdenkenden und andersglaubenden Menschen heute Respekt entgegengebracht wird.
Leseprobe:
Vorwort:Bei meinen Lesungen aus dem Buch 'Gottes Geist im Filstal' (Göppingen-Dessau 2014) habe ich viel historisches Interesse und emotionale Betroffenheit erfahren - aber auch Rückfragen und kritische Ergänzungen. In diesem Zusammenhang sind wir auf bisher unveröffentlichte und auch im familiären Kreis bislang unbekannte Briefe von Adolf Zanker aus Gruibingen, einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, gestoßen, der als Zeuge Jehovas im Januar 1944 wegen seiner Kriegsdienstverweigerung durch die Nazijustiz hingerichtet worden ist. Die Nachkommen fanden in einem alten Lederfutteral diese letzten Briefe, die für uns Heutige wegen der Sütterlin-Schrift aber nicht mehr lesbar waren. So war eine Übertragung notwendig.Immer noch gibt es vergessene und tabuisierte Opfer der Nazizeit: Opfer der Krankenmorde, Homosexuelle, Sinti und Roma...und eben auch Mitglieder der Zeugen Jehovas. An einigen Orten gibt es zwar seit kurzem Mahnmale - so in Berlin-Tiergarten jenes, das an die ermordeten Sinti und Roma erinnert. Aber die Zeugen Jehovas? Diese Menschen haben respektable Opfer gebracht. Sie können oft sogar als Märtyrer bezeichnet werden. In unserem öffentlichen Bewusstsein gibt es Stauffenberg, Bonhoeffer, Elser u.a., deren Widerstand aber auch erst im Lauf der Jahre gesellschaftlich und offiziell anerkannt wurde. Die unmittelbare Nachkriegszeit war nicht die Zeit der Aufarbeitung und des offenen, lernenden Gesprächs über die vergangene Diktatur. Schweigen, Verharmlosung, Ignoranz und Unbelehrsamkeit - vielleicht auch Scham und schlechtes Gewissen - bestimmten die Verhaltensweisen und waren an der Tagesordnung. Nicht umsonst schrieben Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 das berühmte und notwendige Buch "Von der Unfähigkeit zu trauen". Diese Unfähigkeit hält an - bis in unsere Zeit der medialen Offenheit und der unverblümten Tabubrüche. Nur - es bleiben weiterhin Menschen 'auf der Strecke'. Dazu soll dieses Buch dienen: Dem zu widersprechen und einem Menschen als B eispiel für viele andere zu Gesicht und Würde verhelfen. Wolfram Slupina, vom Zweigbüro Zentraleuropa der Zeugen Jehovas, hat in der Gedenkstunde des baden-württembergischen Landtags zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus 2016 anhand von einigen Lebensschicksalen darauf hingewiesen, dass die Verfolgungsgeschichte vieler überlebender Opfer bzw. der Nachkommen sich bis in unsere Zeit fortsetzt. Das ist für eine demokratische Gesellschaft nicht akzeptabel! Die Enkelgeneration besteht zu Recht auf Klärung und Kenntnis.Der frühere Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Württemberg D. Theo Sorg schrieb 1995 im Vorwort für das Gedenkbuch der 'Euthanasie'-Opfer in Grafeneck/Münsingen: "Die Namen, die durch eigene Schuld oder zeitliche Distanz in Vergessenheit geraten, sind bei Gott nicht vergessen." Sorg erinnert an das Prophetenwort aus Jesaja 43: "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen". Auch diese spirituellen Dimension soll dieses Buch wachhalten: Wo wir uns nich t mehr konkret erinnern können (oder wollen), berührt unser Gedächtnis eine Tiefenschicht, wenn wir wenigstens Namen und Person Gott anheim stellen - hier sogar mit Bild, Lebensdaten und dunklem von den Nazis verursachten Todesschicksal. Und - vielleicht können wir ja doch sehr greifbar und sichtbar der Erinnerung an Adolf Zanker angemessen Ausdruck verleihen - durch eine Erinnerungstafel, durch einen "Stolperstein", durch eine Gedenkfeier, durch dieses kleine Buch und der aufmerksamen Lektüre seiner letzten Briefe. Dadurch kann das merkwürdige Phänomen der vielen "unerzählten Geschichten" (Martin Brecht) aufgenommen und ein wenig aufgebrochen bzw. gelöst werden. Denn Erinnerung ist Grundpfeiler von Kultur - bei uns verfestigt im biblischen und humanistisch aufgeklärten Horizont.