Diese erste deutsche Ausgabe der philosophischen Autobiographie al-Ghazalis (1059-1111) ist besonders geeignet, einen originären Zugang zu den klassischen Quellen der arabischen Philosophie zu eröffnen. Zum einen gibt al-Ghazali Aufschluß über den Denkweg, der ihn dazu führte, in seiner bekannten Widerlegung der Philosophen der Adaption der Grundlehren der griechischen Philosphie entgegenzutreten. Zum anderen ist die von einem arabischen Religionsphilosophen aus den Originaltexten erarbeitete Übersetzung besonders darum bemüht, der Gefahr zu entgehen, arabisch Gedachtes in einen vermeintlich sinngemäß entsprechenden deutschen Text zu übertragen, der de facto nur einem tradierten abendländischen Denkschema angeglichen wäre. Dabei zeigt sich, dass die geläufige Einordnung al-Ghazalis unter die dogmatischen Vertreter einer rechtgläubigen« Verteidigung des Koran einer Prüfung nicht standhält.
Al-Ghazalis Geburt wird auf das Jahr 1058 datiert. Studien der Philosophie und Theologie betreibt er zunächst in seiner Heimatstadt Tus (Persien) und in Nisnapur; 1091 wird er theologischer Lehrer der Nizami-Universität in Bagdad. Nach nur vier Jahren gibt er diese erfolgreiche Anstellung auf und begibt sich auf eine Pilgerreise nach Mekka. Dieser Rückzug aus der Welt der Wissenschaften ist begründet in dem Zweifel, inwieweit Erkenntnis und die Einsicht in Verpflichtungen zum Wohle der Menschen ohne Offenbarung möglich sein sollte. In dieser Zeit entstehen die kritischen Schriften Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften wie auch Die Absichten der Philosophen. Ausgenommen von seiner Kritik der Erkenntnismethoden ist einzig der Weg des kontemplativen Mystikers. In Tus gründet al-Ghazali ein sufisches Kloster, das er noch einmal verläßt, um 1106 auf Bitten des Wesir seine Lehrtätigkeit in Nisnapur wieder aufzunehmen. Hier entsteht Die Nische der Lichter, eine teils autobiogr afische Schrift, in der al-Ghazali sein Verhältnis zu den philosophischen Disziplinen klärt. Der Metaphysik wird dabei jegliche Möglichkeit des Erkenntnisgewinns abgesprochen, letzte Fragen könne nur die islamische Religion beantworten.
Aber auch dieser Lehrtätigkeit zieht al-Ghazali es vor, den Rest seines Lebens im Kreise seiner Schüler im Konvent in Tus zu verbringen. Er stirbt dort im Jahre 1111.
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