Die nicht erschossene Frau - Nach einer wahren Begebenheit
Verlag | Nova MD |
Auflage | 2022 |
Seiten | 200 |
Format | 13,1 x 2,2 x 21,7 cm |
Gewicht | 312 g |
ISBN-10 | 398595500X |
ISBN-13 | 9783985955008 |
Bestell-Nr | 98595500A |
Düsseldorf, April 1945:"Du kannst nicht hierbleiben", flüsterte Else.Nur noch wenige Tage bis zur amerikanischen Befreiung der Stadt aus dem Griff fanatischer NS-Heeresstreifen.Da steht eines Nachts ein Mann in stinkender Soldatenuniform und verfilzten Haaren vor der Tür der Hilfskrankenschwester Else Gores. Desertiert.Auf das Verstecken von Fahnenflüchtigen steht der Tod. Sollte die junge Mutter dieses Risiko jetzt noch eingehen? So kurz vor dem Ende?Doch der Mann ist nicht irgendwer. Er gehört zur Familie ...Nach einer wahren Begebenheit
Leseprobe:
Donnerstag, 12. April 1945Düsseldorf, Benderstraße 80Kurz vor SonnenaufgangDie Frau auf der Matratze stöhnt und schlägt die Augen auf.Sie fasst sich an die rechte Schulter und verzieht das Gesicht. Tausend Stiche verhindern, den Arm auch nur anzuheben.Die blonden, sonst lockigen Haare kleben strähnig am Kopf.Schweiß rinnt ihr über die Schläfen.Es ist stickig. Das Fenster zur Benderstraße ist verschlossen.Schwere Vorhänge blockieren den Blick nach draußen.Kein Laut dringt herein.Ihre Zunge pappt trocken am Gaumen.Mit Mühe richtet sie sich auf und schaut sich um.Sie gewöhnt sich langsam an das Dämmerlicht.Die verstaubte Glühbirne an der Decke wirft bloß wenig Licht. Auf dem Boden liegen blutbeschmierte Kleidungsstücke und ein Kopfkissen. Dazwischen leere Bierflaschen. Blutspritzer auch an der Wand über ihrem Lager. Die Matratze, auf der sie sitzt, stinkt nach Urin. Außerdem steigt ihr der säuerliche Geruch von Erbrochenem in die Nase.Essensreste kleben auf dem Tisch an der gegenüber liegenden Seite. Zwei Holzstühle stehen daneben. Das gerahmte Bild des Führers hängt schief. Sie würgt. Es kommt nur Magensäure.Sie hat keinerlei Gespür für die Zeit, aber es muss ewig her sein, dass sie zuletzt etwas gegessen hat. Hunger empfindet sie nicht. Eine Schmerzwelle lässt sie erneut würgen. Sie drückt sich hoch und steht auf. Ihr Körper gehorcht ihr widerwillig. Sie schleppt sich wacklig zu dem Blecheimer in der Ecke. Eine Pfütze abgestandenen Urins bedeckt den Grund. Ihr bleibt keine Wahl, stöhnend hockt sie sich darüber und pinkelt hinein. Sie torkelt zum Fenster, schiebt die Gardine zur Seite. Die Scheiben sind zugeklebt. Doch durch ein paar Lücken schimmert die Morgendämmerung herein.Langsam kommt die Erinnerung wieder.Der einbeinige Feldwebel, der schrie und drohte.Seine grinsenden Komplizen. Warum kommt Hannes nicht und holt sie hier raus? Jeder im Viertel weiß, was in der Benderstraße 80 passiert. Sie legt sich erneut hin und schließt die Augen. Wie geht es ihrem Sohn? Plötzlich Stimmen vor der Tür.Über und unter dem Schloss der Zimmertür werden Metallschienen zurückgezogen, das Schloss quietscht, dann stehen sie in der Zelle. Der Einbeinige und ein weiterer Mann in Uniform. »Aufstehen! Mantel anziehen!« »Kann ich nach Hause?«, fleht sie zitternd. Keine Antwort.Mühsam richtet sie sich auf, aber sofort wird ihr schwindelig, und sie fällt zurück. »Helfen Sie mir!«Der uniformierte Begleiter des Feldwebels ergreift ihre Hand und zieht sie mit einem Ruck auf die Beine. Sie schreit auf und fasst sich erneut an die kaputte Schulter. Der Soldat stützt sie, der Feldwebel legt ihr den Mantel über.»Galant wie im Breidenbacher Hof, was?«, hört sie ihn lachen.Dann greifen die beiden Männer unter ihre Oberarme und ziehen sie aus dem Zimmer. Sie schleifen sie die Diele entlang, ins Treppenhaus und raus auf die Straße.Die Morgensonne sticht in ihre Augen.Sie steuern auf einen wartenden Wagen zu.Der Soldat öffnet die Tür zum Fond.»Rein da!«