Generalverdacht - Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird
Verlag | Edition Nautilus |
Auflage | 2023 |
Seiten | 320 |
Format | 14,3 x 2,2 x 21,6 cm |
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur | |
Gewicht | 347 g |
Reihe | Nautilus Flugschrift |
ISBN-10 | 396054328X |
ISBN-13 | 9783960543282 |
Bestell-Nr | 96054328A |
Die Debatte um die sogenannte Clankriminalität hat seit Jahren Konjunktur. Ein immer weiter wachsendes Gefüge aus polizeilichen Maßnahmenkatalogen, Medienberichten, Entertainmentformaten und (pseudo-)wissenschaftlichen Beiträgen fantasiert eine Bedrohung herbei, gegen die hart durchgegriffen werden soll. Die Konsequenz sind Razzien, rassistische Kontrollen und Kriminalisierung in migrantischen Stadtteilen, die als Problembezirke gebrandmarkt werden; der falsche Familienname genügt, um auf polizeilichen Verdachtslisten zu landen. Politiker_innen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und anderswo profilieren sich mit Null-Toleranz-Strategien gegen »kriminelle arabische Großfamilien« - und tragen damit eine Mitverantwortung für rassistische Morde wie in Hanau. Während »Clankriminellen« vorgeworfen wird, keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zu haben, werden im Zuge ihrer Bekämpfung gleich mehrere Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit über Bord geworfen.Dieses Buch unternimmt erstmals eine kr itische Bestandsaufnahme der Clan-Debatte aus kriminologischen, rechtswissenschaftlichen, soziologischen und feministischen Perspektiven: Wer ist gemeint, wenn von Clans gesprochen wird? In welcher Tradition stehen Kriminalisierungsstrategien im Umgang mit Migration in Deutschland? Welche orientalistischen Stereotype sind in der Clan-Debatte am Werk, und welche Folgen hat die Stigmatisierung für die betroffenen Menschen?Mit Beiträgen von Ozan Zakariya Keskinkiliç · Vanessa E. Thompson · Mohammed Ali Chahrour · Britta Rabe · Fariha El-Zein · Michèle Winkler · Jorinde Schulz · Niloufar Tajeri · Laila Abdul-Rahman · Çagan Varol · Ria Halbritter · Levi Sauer · Lina Schmid · Céline Barry · Melly Amira · Elisabeth Winkler · Simin Jawabreh · Guillermo Ruiz · Tobias von Borcke · Mitali Nagrecha · Anthony Obst · Ahmed Abed · Biplab Basu · Parto Tavangar
Leseprobe:
»Clankriminalität« ohne Rassismus zu denken funktioniert nicht. Verwandtschaftsverhältnisse können zwar die Basis bestimmter Organisationsstrukturen sein, doch eine (herkunftsunabhängige) Definition für organisierte Kriminalität gibt es bereits. Warum darüber hinaus die Notwendigkeit einer eigenen Definition, Registrierung und Verfolgung im Bereich der Allgemeinkriminalität und Ordnungswidrigkeiten besteht, ist mehr als erklärungsbedürftig. Die Frage ist dabei nicht, ob es in arabischen, kurdischen, palästinensischen, türkischen Familien Kriminalität gibt, die Frage ist eher, warum sie anders behandelt wird als weiß-deutsche Kriminalität. Denn wenn das maßgebliche Unterscheidungskriterium die Abstammung ist, dann liegt nichts anderes als Rassismus vor.Das Spezielle an den »Clankriminellen« soll vor allem die Abschottung und Ablehnung des Rechtsstaats sein. Denn wer kennt sie nicht, die »biodeutschen Kriminellen«, die dem Rechtsstaat tagtäglich die Ehre erweisen, gerne mit der Poli zei zusammenarbeiten, sich dankbar einem Gerichtsverfahren stellen und Streitigkeiten untereinander niemals außerhalb des offiziellen Rechtssystems klären. Eigentlich braucht man keine Forschung, um zu merken, dass Menschen, die Straftaten begehen, nicht so gut mit dem Rechtsstaat harmonieren (...). Forschung braucht man aber dann doch, wenn man behaupten will, dass die gesamte Familie, egal wie entfernt, im strafrechtlichen Sinne mitverantwortlich ist für diese Kriminalität, und in jedem Parkverstoß eines Familienmitglieds den Ausdruck der Ablehnung des Rechtsstaats zu erkennen meint.