Gesperrte Ablage - Unterdrückte Literaturgeschichte in Ostdeutschland 1945 - 1989
Verlag | Lilienfeld Verlag |
Auflage | 2022 |
Seiten | 450 |
Format | 13,4 x 21,2 x 3,8 cm |
Gewicht | 606 g |
ISBN-10 | 3940357502 |
ISBN-13 | 9783940357502 |
Bestell-Nr | 94035750A |
Jetzt wieder lieferbar und ergänzt: Über vierzig Jahre Literaturgeschichte, die nicht stattfinden sollte, die unterdrückt und auch nach 1989 kaum in den Blick genommen wurde. In Essays chronologisch und anhand eindrücklicher Schicksale erzählt.
Der DDR-Diktatur ist es gelungen, auch nach ihrem Untergang das öffentliche Gedächtnis im Hinblick auf die Geschichte des literarischen Schaffens zu beeinflussen. Das bekannte Bild, das zu DDR-Zeiten vorherrschte, war das von den "staatstragenden" Künstlern und deren "Kontrapunkten", den kritischen, aber trotzdem loyalen Autorinnen und Autoren, die oft auch im Westen berühmt wurden. Ein sehr geschöntes Bild, denn in Wahrheit ist dies nur der zugelassene Teil der Literaturgeschichte - bestimmte Stoffe und Ästhetiken, ja, alles wirklich Nonkonforme, Experimentelle, Widerständige wurde konsequent behindert, unterdrückt, verfolgt, verschwiegen, abgelegt und weggesperrt. Ines Geipel und Joachim Walther erzählen detail- und kenntnisreich von dieser Seite des literarischen Lebens, das trotz lebensgefährlicher Konsequenzen für die Freiheit des Wortes einstand. In der Neuauflage erweitert um ein Kapitel zur Rezeptionsgeschichte der Unveröffentlichten und ihrer Werke nach 1989.
Leseprobe:
Zur Angst vor dem, was greifbar ist, gehört auch die Chronik der Notunterkünfte bedrohter Manuskripte, denn das rein Physische der Texte konnte durchaus zur Gefahr für die Schreibenden werden. Sie ergibt eine ganz eigene Erzählung über das Dilemma, das Geschriebene an möglichst unwahrscheinlichen Orten zu verstecken. Mussten in der frühen DDR Autorinnen und Autoren im Zuchthaus fast durchweg ohne Papier auskommen und aus dieser Zwangssituation eine eigene Form des mündlichen Memorierens begründen, berichten widerständige Autoren der entwickelten DDR-Diktatur immer wieder von sorgsam bedachten Textaufbewahrungsorten, etwa in der Jauchengrube, im Kartoffelkeller, zwei Meter tief unter der Birke im Garten, von Verstecken in Schließfächern auf Bahnhöfen, eingenäht in Kissen, in den Spielzeugen ihrer Kinder oder unter Holzdielen. Hatten widerständige Autoren also mit der permanenten Angst zu leben, dass das, was sie dachten und fühlten, als Text greifbar werden könnte, so lebten Appara t und Geheimdienst in dem Dauerwahn, dass sie dieses ortlos gemachten Textes nicht habhaft werden könnten, was eine ganz eigene Phänomenologie der Textverstecke begründete.