Kein Ort gilt so sehr als Gegenstand der Literatur und als Tummelplatz für Literaten wie die ehemalige Reichshauptstadt - die Stadt im permanenten Ausnahmezustand. Der Traum des Dichters, sollte man meinen, wenn dieser nicht ein offensiver Liebhaber der Normalität, ein poptrainierter Anbeter der Gegenwart und der Oberfläche wäre, der in dieser Erzählung nun folgerichtig eine groteske Leidensgeschichte hinter sich zu bringen hat - eine selbstverständlich unglückliche Liebesgeschichte mit drei lesbischen Republikflüchtlingen ist da nur die Spitze des Eisbergs. Einem solchen Jammertal, so dämmert es unserem Mann bald, entsteigt man nur durch eine heroische Tat, die ultimative Aktion.
Thomas Meinecke wurde 1955 in Hamburg geboren, lebte ab 1977 in München und zog 1994 in ein oberbayrisches Dorf. Von 1978 bis 1986 war er Mitherausgeber und Redakteur der Avantgarde-Zeitschrift Mode & Verzweiflung, in den Achtzigerjahren schrieb er Kolumnen für die ZEIT, ab 1986 veröffentlichte er Erzählungen und zahlreiche Romane, zuletzt den Roman Selbst (2016) im Suhrkamp Verlag. Außerdem war er von 2007 bis 2013 Kolumnist für das Berliner Magazin Groove. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Düsseldorfer Literaturpreis (2003) und dem Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst (2008). Im Wintersemester 2012 hatte er die Poetikdozentur an der Goethe-Universität Frankfurt inne, 2014 war er Writer in Residence an der Queen Mary University in London, 2016 Fellow am IFK in Wien und 2020 wurde er mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet. Die Frankfurter Vorlesungsreihe mit dem Titel Ich als Text ist anschließend in der edition suhrkamp erschienen. Thomas Me inecke ist außerdem Musiker und Texter in der 1980 von ihm mitgegründeten Band Freiwillige Selbstkontrolle (FSK), Radio-DJ in seiner Sendung Zündfunk Nachtmix (BR 2) und hat auch als Solokünstler Platten aufgenommen.
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