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Mein hundertjähriger Garten

Mein hundertjähriger Garten - Tagebuchnotizen und Erinnerungen

Taschenbuch
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Produktdetails  
Verlag Edition Karo
Auflage 2022
Seiten 150
Format 13,4 x 1,2 x 20,5 cm
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Gewicht 240 g
ISBN-10 3945961262
ISBN-13 9783945961261
Bestell-Nr 94596126A

Produktbeschreibung  

"... das Tagebuch zwingt mich zur Disziplin. Und damit es mir nicht wie mit früheren, rasch durch die Fülle dessen, was festgehalten werden soll, zu einem vorzeitigen Ende gekommenen Tagebüchern geht, beschränke ich mich wieder und noch einmal auf den Garten. Es ist der Garten meiner Kindheit. Es ist der Garten, in dem ich aufwuchs und in dem ich heute wieder lebe. Diesmal sei der Fokus eher aufs Nichtstun gerichtet; ich habe mich auf 'Faulheit' programmiert in unserem nun hundert Jahre alten Grünland, und es reizt mich das Zurückschauen auf seine Geschichte."

Leseprobe:

18. JANUARÜber Nacht hat es ein wenig geschneit, kaum der Rede wert, und am Morgen ist der Himmel noch bedeckt, aber es zeigt sich schon Blau dazwischen, und plötzlich habe ich Gedichtfragmente im Kopf: ... kleiner blauer Schmetterling. Wie ging es, wer schrieb es? Detlef von Liliencron? Nein, bei ihm flattert der Schmetterling mit Tschingtsching bumbum um die Ecke. Das ist mir zu militärisch. Der kleine Blaue von Hermann Hesse, er ist's, "ein perlmuttener Schauer", der mir mit "Augenblicksblinken" im Kopf herumschwirrt. Und ich denke an das vermaledeite Insektensterben und bin traurig. Es sind ja nicht nur die Bienen. Was gab es für Schmetterlinge, Tag- und Nachtfalter, als wir mit dem Gärtnern anfingen. Pfauenauge, Zitronenfalter, Kleiner Fuchs, Schwalbenschwanz, Kaisermantel, C-Falter, Distelfalter, Apollofalter, Admiral. Schachbrett und Dukatenfalter. Bläuling, Grauling, Hüpferling, was für liebenswerte Namen. Nicht alle bevölkerten die Gärten, aber es gab sie am Waldrand, am Wiesenrain. Wenig beachtet der Kohlweißling, der ja ein Schädling für die Kohlköpfe war; heute ist er neben ein paar Pfauenaugen beinahe der einzige, der übrig blieb. Wenn ich die Namen aufliste, merke ich, was für ein Verlust. Wenn ich die Namen aufliste, kommt Farbe in den Wintertag. Es scheint, ich möchte, dass der Winter geht, dass wieder Frühling, Sommer ist. Auch wenn das Artensterben um sich greift, ist unser alter Garten, der im Laufe der Jahre aufgrund verminderter Pflege und verminderter Eingriffe durch die Gärtnerhand genug verwilderte Ecken hat, ein Reich der Vielfalt, die zunimmt, lässt man Wildkraut, Unkraut und Sämlinge wachsen. Immer wenn's kalt ist, taucht in meinem Kopf auch der Liedvers "Herr Winter, geh' hinter" auf. Wenn ich auf meinen Bus oder auf einem zugigen Bahnhof auf S- oder U-Bahn warte: Herr Winter, geh' hinter, dein Reich ist vorbei. Aber die Natur braucht Regen, braucht Schnee, braucht Kälte. Von den Cyclamen knipste ich mit dem Fingernagel eine Blü te ab, stellte sie Lutz, der immer noch krank ist, mit einem ersten, dem bisher einzigen Schneeglöckchen in eine daumengroße Vase. Riecht es? Duftet es? Weiß nicht - der Schnupfen ... Trotzdem freute es ihn so sehr, dass er es allen zeigte, die ihn besuchen kamen. Später, wenn sich all die nagellackroten Blüten entfaltet haben werden, wird er jeden, der aufs Grundstück kommt, zu dem kleinen Cyclamenbeet vorm Haus führen, um mit ihm Freude und Bewunderung zu teilen. Im Windschatten der zu einem Kegel geschnittenen Eibe im Vorgarten zwängen sich jetzt schon die Triebe der Narzissen durch die dünne Schneedecke. Der Scheinhasel, in dem noch die Kerzen der Weihnachtsbeleuchtung hängen, hat buttergelbe Knos-pen. Auch der Winterjasmin gibt sich Mühe und hat ein paar Blütensterne hervorgebracht. Gegen den hellen Himmel zeichnet sich das Filigran der Bäume ab - Linde, Birke, Lärche, Apfelbaum. "Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume", heißt es in einem Gedicht von Günter Eich. Viele Bä ume gab es im Garten, die das Kind und die Heranwachsende von Anfang an überragten - in Schönheit und Mächtigkeit.

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