"Paradies Amerika" zeigt ein Amerika von nah und von unten, ein Land der Hafenarbeiter und Wolkenkratzerbauer, der Immigranten, der Schwarzen, der Siedler und der Tagediebe. Das Buch des "rasenden Reporters" Egon Erwin Kisch führt uns in die Docks und die Gefängnisse von New York, zur Terminbörse und den Schlachthöfen von Chicago, in die Ford-Werke von Detroit und das Kapitol in Washington. Wir erleben den Wahlkampf zwischen Herbert Hoover und Al Smith, eine Fahrt durch den Panama Kanal, den Goldrausch von San Francisco, Starlets auf dem Hollywood Boulevard, und wir begegnen Upton Sinclair und Charlie Chaplin. Kisch zeichnet ein detailreiches und oft auch humoristisches Bild der USA, nur wenige Monate von der Großen Depression entfernt, von dem sich vieles im heutigen Amerika wiederfindet.
Egon Erwin Kisch, 1885 in Prag in eine jüdische Familie geboren, war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Journalisten. Seit 1906 arbeitete der "rasende Reporter" für das Prager Tageblatt und die Zeitung Bohemia. Er war Stammgast im Nachtcafé Montmartre, und mit Franz Kafka und dem Schwejk-Autor Jaroslav Hasek befreundet. Bekannt wurde er mit der Kolumne Prager Streifzüge aus der Unterwelt. Er deckte aber auch die Vertuschung des Selbstmords von Oberst Alfred Redl auf, ein russischen Spion.Schon früh unternahm Kisch Reisen; ins griechische Piräus, nach Konstantinopel und Italien, nach London und Antwerpen. 1913 ging er für das Berliner Tageblatt nach Berlin, wurde aber eingezogen, als Österreich Serbien den Krieg erklärte. Nach einer Verwundung wurde er zur Presseabteilung versetzt. Am Ende des Ersten Weltkriegs schloss er sich der Roten Garde an, partizierte an der Besetzung der Neuen Freien Presse und trat in die KPÖ ein.Wenig später wies Österreich ihn aus. 1921 landete er wieder in Berlin. Dort gab er Bücher heraus, schrieb Theaterstücke, Gedichte und Erzählungen aus dem jüdischen Prag und arbeitete für mehrere Zeitungen, darunter die Rote Fahne. Er schrieb Reportagen aus der Sowjetunion, Algerien und Tunesien und zuletzt aus China. In die USA reiste er 1928 und 1929, von New York nach Kalifornien, musste als Kommunist aber seine Geschichten unter dem Namen Doktor Becker veröffentlichen.1933, ein Tag nach dem Reichstagsbrand, wurde er von den Nazis verhaftet und nach Prag abgeschoben. Er floh nach Paris und schloss sich dem Exil-Widerstand an. 1934 segelte er nach Australien; als die Regierung den Kommunisten nicht hereinlassen wollte, sprang er vom Schiff und brach sich ein Bein. Zurück in Europa, solidarisierte er sich mit dem Widerstand gegen den spanischen Diktator Franco. Als ihn Frankreich 1939 unter Arrest stellte, flüchtete er mit seiner Frau Gisela in die USA. Da er in New York aber kaum Aufträge bekam, reisten beide Ende 1940 zur Exilgem einde in Mexico City weiter, wo er sein letztes Buch Entdeckungen in Mexiko schrieb. Nach dem Krieg kehrte er nach Prag zurück, wo er die Kommunisten und die Benes-Regierung unterstützte. Kisch starb 1948 in Prag. Lewis W. Hine war einer der bekanntesten sozialkritischen Fotografen seiner Zeit; seinen Fotos ist es zu verdanken, dass in den USA Gesetze gegen Kinderarbeit beschlossen wurden. Hine wurde 1874 in Oshkosh, Wisconsin geboren, zog zum Studium nach New York City und wurde dort Lehrer. Mit seinen Schülern fotografierte er Immigranten in Ellis Island. Im Auftrag des National Child Labor Committee fotografierte (und befragte) er Kinder, die in Fabriken und auf Feldern arbeiteten, die jüngsten davon drei und vier. Oft wurde er dabei von Sicherheitskräften der Fabriken bedroht.1929 fotografierte er den Bau des Empire State Building, an einem Kran hängend in dreihundert Metern Höhe, sowie Stahlarbeiter in Pennsylvania und Bauern in Tennessee, letzteres im Auftrag des Roten Kreuzes. Insgesamt reiste er 20 000 Kilometer durch das Land. Zuletzt verarmte er, da mit der Depression die Aufträge ausblieben. Hine starb 1940 in New York.
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