Poesie der Destruktion - Im Dialog mit Michael Kluth 1988-2018
Verlag | Mitteldeutscher Verlag |
Auflage | 2018 |
Seiten | 195 |
Format | 17,1 x 24,7 x 2,2 cm |
Gewicht | 906 g |
Reihe | Ateliergespräche |
ISBN-10 | 3963110384 |
ISBN-13 | 9783963110382 |
Bestell-Nr | 96311038A |
Günther Uecker gilt mit seinen einzigartigen Nagelbildern, Skulpturen und Prägedrucken als einer der großen deutschen Künstler der Gegenwart. Weniger bekannt sind seine Arbeiten mit Schnüren und Asche, Holz und Sand, seine Schriftbilder und zarten Aquarelle. Seine schöpferische Kraft kommt aus tiefem Schmerz. 1930 geboren erlebt er als 14-Jähriger in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs entsetzliche Dinge. Zuerst muss er diese traumatischen Erlebnisse verdrängen. Nach seiner Flucht kommt er 1955 nach Düsseldorf und an der Akademie ist plötzlich abstrakte, aktive Kunst möglich. Mit seinen Kollegen Heinz Mack und Otto Piene gestaltet er den legendären Zero-Raum auf der Documenta III. Seine internationale Karriere beginnt.
In den über 30 Jahre andauernden Gesprächen mit dem Filmemacher Michael Kluth entstehen seine Selbstzeugnisse über das Leiden, aber auch über die Annäherung an eine Harmonie, die er dem Scheitern der Menschheit entgegensetzt.
Leseprobe:
Ein Schlüsselmoment für meine Nagelbilder gibt es, auch wenn ich mir das erst viel später eingestanden habe. Kurz vor Kriegsende wurde mein Vater auf einen Stützpunkt nach Ostpommern verlegt. Ich war also alleine mit meiner Mutter und meinen Schwestern, als die Russen kamen. Die sahen wirklich geschunden aus, man sah, dass sie Schreckliches erlebt hatten. Ich hatte Mitgefühl mit ihnen.
Aber dann gingen sie manchmal in Gruppen in Häuser, und es waren ja fast nur Frauen und Kinder da. Männer gab es ja keine, ich war mit vierzehn Jahren der Mann. Das war alles sehr dramatisch, viele Frauen haben sich umgebracht, sind ins Meer gegangen. Ich habe mir überlegt, wie ich meine Mutter und meine Schwestern schützen könnte. Und so habe ich in unserem Haus von innen Holzplatten vor alle Fenster und Türen gemacht und alles festgenagelt. So habe ich mit der Nagelei begonnen.