Sagen und Legenden um Chiemgau und Rupertiwinkel - Inn, Prien, Achen, Traun, Alz, Salzach
Verlag | Ambro Lacus |
Auflage | 2016 |
Seiten | 432 |
Format | 14,1 x 21,5 x 3,6 cm |
Gewicht | 636 g |
ISBN-10 | 3921445396 |
ISBN-13 | 9783921445396 |
Bestell-Nr | 92144539A |
Leseprobe:
Die Stadt Roglau im Chiemsee
Der Sage nach bildeten früher die Inseln und Halbinseln im Süd-Westteil vom Chiemsee eine zusammenhängende Landmasse. Darauf lag eine blühende Stadt - Roglau mit Namen - die weithin von fruchtbarem Land umgeben war. Die Bewohner besaßen riesige Rinderherden, die sie auf den üppigen Weiden ringsum grasen lassen konnten, ohne sich viel um sie kümmern zu müssen. So waren sie mit der Zeit zu großem Wohlstand gelangt. Der Überfluss aber, in dem sie lebten, ließ sie die Gaben der Natur, die ihnen ohne Anstrengung ihrerseits in überreichlichem Maße geschenkt wurden, gering achten. Sie fanden nichts weiter dabei, wenn ihre Kinder mit Nahrungsmitteln spielten und diese dabei verdarben, wenn sie sich damit vergnügten, auf den staubigen Straßen mit den Füßen Brotlaibe hin- und herzuschießen, als wären es Bälle. Niemand hielt es für nötig, in die Kirche zu gehen und Gott um seinen Segen zu bitten; man hatte ja auch ohne diesen Segen alles, was man wollte. Wenn sonntags die Glocken zur Messe riefen, kümmerten sich die Leute nicht darum. Sie trieben lieber ihr Vieh auf die Weiden, um ihren Reichtum noch zu vergrößern und ließen es sich ansonsten wohlergehen, als in unbequemen Kirchenbänken dem HERRN die Ehre zu geben.Da ereilte sie eines Tages ein furchtbares Strafgericht. Ganz unerwartet schwoll der Chiemsee mit einem Mal an, als würde er vonTausenden von Quellen zusätzlich gespeist, trat über die Ufer und fraß sich immer weiter ins Land hinein. Er verschlang die ganze Stadt mit allem, was darin war. Nur die beiden etwas erhöhten Stellen, auf denen einige fromme Frauen und Männer ihre Klöster gebaut hatten, blieben verschont und ragten als Inseln aus der riesigen Wasserfläche hervor. Seit der Zeit liegt Roglau unten am Seeboden. Wie es heißt, kann man manchmal, wenn es ganz windstill ist und das Wasser klar und glatt wie ein Spiegel ist, aus der Tiefe einen Kirchturm und ein paar Treppenstufen heraufschimmern sehen. An nebligen Tagen sch eint es bisweilen, als läute eine Glocke der versunkenen Stadt - gedämpft durch die Wassermassen - vom Grund des Sees herauf.