Selbstübersetzungen sind faszinierende Erscheinungsformen mehr- und anderssprachigen Schreibens. Sie bewegen sich an der Grenze zwischen pragmatischem Nutzen und autorschaftlicher Strategie, sie eröffnen die Lizenz zum produktiven Weiterdenken, Umstellen und Fortsetzen des Ausgangstextes, und oft werfen sie die Frage auf, welche der so entstehenden Versionen das Original und welche die Übersetzung ist. Bisherige Untersuchungen zum Thema konzentrierten sich meist auf literarische, insbesondere poetische Selbstübersetzungen. Der vorliegende Band nimmt dagegen das Moment der Übertragung von Wissen in den Blick - und damit den spannungsvollen Zusammenhang von sprachlichem Transfer und Wissenstransfer. Die Beiträge widmen sich gelehrten und intellektuellen Selbstübersetzern aus fünf Jahrhunderten: Martin Luther, Jan Baptista van Helmont, August Wilhelm Schlegel, Wilhelm und Alexander von Humboldt, Alessandro Manzoni, Heinrich Heine, Leo Spitzer, Walter Benjamin, Kurt Goldstein, Eugen R osenstock-Huessy, Cornelius Castoriadis, Humberto Maturana und Wolfgang Iser.
Stefan Willer ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2010 bis 2018 war er stellvertretender Direktor des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Zukunftskonzepte in Literatur und Wissenschaften, die Kultur- und Wissensgeschichte von Generation, Genealogie und Vererbung, Verbindungen zwischen Literatur und Musik sowie Sprach- und Übersetzungstheorien. Buchveröffentlichungen (Auswahl): »Zukunftssicherung. Kulturwissenschaftliche Perspektiven« (Mithg., 2019); »Oper und Film. Geschichten einer Beziehung« (Mithg., 2019); »Futurologien. Ordnungen des Zukunftswissens« (Mithg., 2016); »Erbfälle. Theorie und Praxis kultureller Übertragung in der Moderne« (2014); »Prophetie und Prognostik« (Mithg., 2013); »Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte« (Mitvf., 2008); »Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen« (Mithg., 2007); »Poetik der Etymologie. Textu ren sprachlichen Wissens in der Romantik« (2003). Andreas Keller, Germanist und Kunsthistoriker, wirkte in Forschung und Lehre an der UP Potsdam, der JGU Mainz und an der KU Eichstätt-Ingolstadt. 2014 bis 2016 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung im Projekt »Übersetzungen im Wissenstransfer« verantwortlich für die Kultur der Renaissance bzw. für die frühneuzeitlichen Übersetzungsfragen. Seit 2019 arbeitet er an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen als Redakteur für das »Frühneuhochdeutsche Wörterbuch«. Schwerpunkte seiner Forschung sind Rhetorik, Lexikografie und Begriffsgeschichte, Übersetzung, Reiseliteratur, Filmgeschichte, Religionen im Dialog und Migration.
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